Flügel Rekonstruktion Carl Mand 188cm
Rekonstruktion eines modernisierten Flügels
Ist der denn noch zu retten?
Auf den ersten Blick scheint dieser Flügel nicht mehr zu retten. Dies bewahrheitet sich auch auf den zweiten und dritten Blick. Insbesondere unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten ist dies ein aussichtsloses Unterfangen. Was die Augen aber nicht wissen und nur die Ohren vermuten lassen, dass es sich hier um ein sehr seltenes Instrument handelt, welches akustisch so herausragend ist, dass eine Restaurierung des Resonanzbodens und der übrigen Akustik dennoch angestrebt wird. Um den Augen dabei kein allzu großes Opfer abzuverlangen, erfährt das Klaviermöbel eine modelgetreue Rekonstruktion.
Alleine über diesen Flügel könnte ein ganzes Buch geschrieben werden. Da hier jedoch lediglich der Blick für den Weg durch die Bildergalerie geschärft werden soll, folgend ein paar Besonderheiten.
Modernisierte Flügel
In den Nachkriegs-Jahren wurden aus Mangel an guten Pianos, viele alte Flügel in ein damals modernes Aussehen gezwängt. In der Regel sind solche Flügel irreparabel verschandelt, da eine Wiederherstellung im Vergleich zu den besser erhaltenen Flügeln wirtschaftlich sinnlos scheint. In diesem Kontrast erkennt man deutlich wie wertvoll (und dies in vielerlei Hinsicht) ein gut erhaltener Flügel ist. Die Qualität einer gut erhaltenen Elfenbein-Klaviatur oder einer schönen Gussplatten-Bronzierung ist mit Geld allein nicht wiederbeschaffbar, denn heute verfügt niemand mehr über das Wissen und die Routine diese Arbeiten in eben genau dieser Machart durchzuführen. Wir haben dahingehen sehr großen Aufwand betrieben, um näherungsweise gleichwertige Ergebnisse zu erzielen. Das Original bleibt dabei zum Glück unübertroffen, auch oder insbesondere weil es zarte Spuren der Geschichte in sich trägt. Ich hoffe so vermitteln zu können wie entscheidend es ist, diese Spuren der Alterung wertzuschätzen und nicht im Sinne einer Renovierung alles in neuem (Plastik)-Glanz erstrahlen zu lassen.
Rekonstruktion des Modell-typischen Designs
Auf die Arbeiten am Möbel gehe ich nur kurz ein, der Leser kann sich anhand der zahlreichen Fotos den Arbeitsablauf gut vorstellen. Das Furnier aus der Modernisierung war für eine Schellackpolitur ungeeignet und musste entfernt werden. Die Rekonstruktion der Geometrien und das Deckfurnier wurden in Birnbaum-Holz ausgeführt. Dieses ist seit jeher für die schwarze Schellackpolitur am besten geeignet. Die Schellackgrundierung erfolgte traditionell mit Zugabe von Bimsstein, die Schwarzfärbung unter Beigabe von Nigrosin. Die Unterseite wurde Mand-typisch in Orange ausgeführt wobei anstelle der ursprünglich verwendeten Bleimennige ein synthetisches Pigment verwendet wurde.
Rasten-Schwund
Ob man die hier durchgeführten Arbeiten noch als Restaurierung bezeichnen kann, ist streitwürdig. So oder so meinen wir im Sinne des Resonanzbodens gearbeitet zu haben, was sich auch anschließen im charakteristischen Carl-Mand-Klang geäußert hat. Eine gelegentliche Eigenheit bei Carl Mand Flügeln ist die schlechte Verleimung des Resonanzbodens. So kam uns dieser förmlich entgegengesprungen, was sich auch anhand der wenigen Beschädigungen am Bodenlager erkennen lässt.
Der Vorteil: man kann gut an der Raste Arbeiten. Durch Schwund im Holz entstehen Risse und einige Verleimungen lösen sich. Wir nennen dies „Rasten-Schwund“. Durch die fehlende Kraftübertragung an solchen Stellen, kann die Schwingungsenergie schlechter fließen und wird möglicherweise dissipiert. Man sollte daher diese Fehlstellen kraft- und formschlüssig ausbessern.
Resonanzboden restaurieren
Der zuvor ausgebaute Resonanzboden konnte hier unter erzwungener Wölbung eingesetzt werden. Ein Großteil des Resonanzboden-Schwunds liegt nun so auf dem Bodenlager und muss nicht allein durch ausspänen kompensiert werden. Da der Resonanzboden vormals überarbeitet wurde, wollten wir alle Überreste von Weißleim und „neuen-alten“ Spänen entfernt wissen. Unsere Späne sind grundsätzlich aus andern alten Resonanzböden und für die Verleimung verwenden wir ausschließlich organische Leime, die kristallin austrocknen und reversibel sind. Mehr Theorie zum Resonanzboden gibt es in hier.
Elfenbein Klaviatur
Die modernisierten Kunststoff-Tasten-Beläge lösten sich fast von selbst. Übrig blieb eine verschandelte Taste mit schwerlöslichem Klebstoff. Erst nach gründlichem Wiederherstellen einer schönen Geometrie mit sauberen Flanken können die Tasten mit Elfenbein belegt werden. Das ethisch problematische Material gewinnen wir auch aus der Wiederverwertung alter ausrangierter Klaviere. Nicht nur, dass es sehr teuer ist neues lizensiertes Elfenbein aus Altbeständen zu beziehen, es hat auch einen anderen Schliff. Mit viel Mühe ist es möglich, das Elfenbein von einer alten Klaviatur auf eine andere zu übertragen. Es geht dabei nicht unbedingt darum, dass niemand merken soll, dass der neue Tasten-Belag nicht original ist, sondern er soll nicht vordergründig wahrgenommen werden. Der Geist und die Finger dürfen sich voll auf die Musik konzentrieren.
Vollständige Bildergalerie: