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Episode 8: Von der Taste zum Ton!

Der Resonanzboden und seine Eigenmoden

Flügelresonanzboden Vermessung mit einem Laser Doppler VibrometerEs gibt solche kleinen Details, die erst einmal gar nicht weiter auffallen. Sind sie jedoch einmal im Bewusstsein werden diese Kleinigkeiten bedeutsam. Mir sind in diesem Zusammenhang einige solcher Details in den Sinn gekommen. Anhand 10 kleiner Episoden verfolgen wir den Impuls vom Finger durch den Flügel bis ins Ohr.

Im 7ten Beitrag dieser Reihe möchte ich zeigen wie entscheidend es ist den Klangimpuls als etwas Fließendes zu verstehen. Im Gegensatz dazu sehe ich die Klangerzeugung eines digitalen Klaviers, bei welchem im Voraus klar ist welchen Klang der Algorithmus erzeugen wird.

Denn eine sich ausbreitende Welle wird auf jede kleinste Veränderung reagieren, sei es die Raumakustik oder ein unscheinbares Astloch im Resonanzboden, welches den Klang einmalig macht. Der Resonanzboden ist die klangprägenste Komponente im Flügel. Ich überzeichne dies manchmal und sage der Resonanzboden ist das Musikinstrument, der Rest ist nur technisches Hilfsmittel. Dieser Darstellung lege ich zu Grunde, dass eine Saite nicht sonderlich viel Variationsspielraum bietet. Sie filtert/wandelt den HammeranSCHLAG zu einem harmonischen Tongemisch. Dabei kann diese hochgespannte Stahlsaite aber nicht viel anderes als immer wieder die Impulse nach gleicher Manier zu filtern. Wäre die Saite ein wenig länger oder dicker, würde sie nur etwas anders filtern, aber auch dann wieder recht gleichbleibend.
Bei dem Resonanzboden ist das etwas anderes. Ich bin so frei hier den Steg zum Boden hinzu zu zählen, da diese fest miteinander verleimt sind, und das eine ohne das andere völlig anders reagieren würde.
In der Literatur um 1900 finden sich schon wildeste Theorien darüber wie wohl so ein Resonanzboden schwingt. Man kann zwar sehen wie eine Saite schwingt, die Amplituden eines Resonanzbodens sind dagegen so klein, dass man sie mit dem bloßen Augen nicht sehen kann. Man behalf sich z.B. mit Sand welcher auf den Resonanzboden gestreut sich zu Mustern formte, wenn der Resonanzboden in Schwingung versetzt wurde. Das erinnert an die Chladni-Platte. Was dabei fehlt ist der dynamische Ablauf. Denn ein auf eine einzelne Frequenz eingeschwungener Resonanzboden hat nicht viel mit der realen Klangerzeugung zu tun. Heute gibt es dafür Abhilfe wie ich später zeigen möchte. Wer aber von dieser Hightech absieht, bedient sich wieder der Idee, dass die Energie wie Wasser durch das Instrument fließt. Muster wie dieser einer Chladni-Platte wären zwar im zeitlichen Mittel darstellbar, zeigen aber nicht den Aspekt der fließenden Energie. In dem vorherigen Beitrag über die Eingangsimpedanz, wurden die Impedanzverläufe entlang einiger Stegpositionen gezeigt. Daraus wird ganz klar ersichtlich, dass die Impulse, die sich vom Hammeranschlag ausbreiten wollen, am Steg bereits ein großes Hindernis überwinden müssen. Aus den Kurven in Episode 7 wird ersichtlich, dass es einigen Frequenzen deutlich schwerer fällt und andere gerade zu vom Resonanzboden aufgesaugt werden.

Was sind Eigenmoden?

Es ist offensichtlich, dass in der Hauptsache der Resonazboden beim Flügel nach oben und unten schwingen kann. Die Schwingungsrichtungen längs zur Ebene sind deutlich steifer. Schwingt also der Resonanzboden im Ganzen nach oben, bildet sich ein Bauch, denn außen ist der Resonanzboden ja fest geleimt. Beim Zurückschwingen bildet sich in Folge ein Bauch nach unten. Dies ist die erste Eigenmode des Resonanzbodens mit einer festen charakteristischen Frequenz. Am Beispiel aus Ep. 7 (Abbildung ist hier noch einmal zu sehen) wäre das bei ca. 60 Hz. Dabei sieht man, dass diese Eigenmoden bei allen mittleren Positionen gut ausgeprägt sind. An den Randpositionen, bei der obersten und den beiden untersten Kurven, schwächt sich diese Mode dagegen deutlich ab. Das heißt obwohl dieser Resonanzboden bei 60 Hz sehr gut schwingen kann, ist dies für eine Saite, die an diesen Stellen einen Impuls mit 60 Hz einleiten möchte, kaum möglich. Denn dort wo die Mode nicht ausgeprägt schwingt, liegt eine Knotenlinie. Bei der ersten Eigenmode ist das natürlich der äußere Rand. Daher ist es klar, dass insbesondere für tiefe Frequenzen ein gewisser Abstand zum äußeren Rand eingehalten werden muss. Das ist auch ein entscheidender Vorteil von der Kreuzsaitigen-Mensur, denn so kann der Basssteg wesentlich mittiger auf dem Resonanzboden platziert werden.

Impedanz Steinway-Flügel 180cm

Was passiert bei der zweiten Eigenmode? Nun der Unterschied ist so, dass nicht mehr der ganze Resonanzboden in eine Richtung (Phase) schwingt, sondern im selben Moment ein Teil nach oben und ein Teil nach unten schwingt. So bildet sich wieder ein Gleichgewicht wie bei einer Wippe. Dabei sind die beiden schwingenden Bereiche deutlich kleiner und deren Frequenz entsprechend höher. Es gibt dabei noch einen bedeutenden Unterschied. Zusätzlich zum Rand gibt es hier eine weitere Knotenlinie und zwar genau zwischen den beiden schwingenden Bereichen. Diese geht voraussichtlich irgendwo mitten durch den Resonanzboden. Möchte man hier die Eigenmode anregen, wird es trotz der vermeintlich mittigen Position sehr schwierig. Bei unserem Beispiel geht diese Knotenlinie vermutlich nahe entlang der Stegpositionen 3 und 5 mit der gelben und grünen Linie, da diese bei der zweiten Eigenmode deutlich höher verlaufen.
Für höhere Moden kann man dieses Gedankenmodell immer weiter spinnen. Naturgemäß werden sich Knotenlinien eher entlang von Hindernissen formen. So z.B. entlang der Stege und Rippen. Für tiefe Frequenzen spielen diese Hindernisse eine geringere Rolle, nimmt aber die Größe der Eigenmoden bei höheren Frequenzen immer weiter ab, „passen“ diese irgendwann zwischen die Rippen. Für derart hohe Frequenzen stellt nicht nur der Steg, sonder auch jede weitere Rippe ein deutliches Hindernis dar. Diese Frequenzen können kaum noch durch den kompletten Resonanzboden fließen und „ferne“ Regionen zum schwingen anregen. Sie bleiben in wenigen Zwischenrippenräumen „gefangen“.

Was hat das noch mit Handwerk oder gar mit Musik zu tun?

Das Erkenntnis ist auch hier der erste Schritt. Als direktes Kernelement kann nun jedem Bereich im Resonanzboden eine Funktion zugewiesen werden. Das hilft auch enorm bei der handwerklichen Umsetzung. Als elementar wichtig ist die Bedeutung jedes einzelnen Zwischenrippenraums zu werten. Denn die hohen Frequenzen gerade im Diskant sind hierin faktisch derart gefangen, dass ein kleiner Defekt, den kompletten Flügel unbrauchbar machen kann. Übertragen auf die musikalische Nutzbarkeit, erklären diese Gedankenmodelle, was in der Praxis alltäglich ist. Denn viele Flügel haben vereinzelt Töne die einfach nicht überzeugen und sehr vom Durchschnitt abweichen. Da es aber faktisch auf jeden einzelnen Ton ankommt, reduziert dies die Qualität des gesamten Instruments enorm.

Luxus Hightech!

Das bisher beschriebene, ist aus den einfachen Messungen aus Ep. 7 und ein paar gedanklichen Analogien konstruierbar. Darüber hinaus ist es nicht so ganz einfach den schwingenden Resonanzboden richtig zu erfassen. Der Aufwand hierfür ist sehr groß und in der Regel Forschungsprojekten und großen Unternehmen vorbehalten. Umso mehr freute mich der glückliche Umstand, dass wir in unserer Werkstatt eine Messung mit der Firma Optomet und eines befreundeten Instrumentenentwicklers durchführen konnten. Optomet hat hochpräzise Laser Doppler Vibrometer entwickelt, die es ermöglichen Schwingungen einer Oberfläche abzutasten. Die Messungen entstehen entlang eines zuvor definierten Rasters. So kann die Schwingung großer Partien oder sogar des kompletten Resonanzbodens erfasst werden. Dabei werden nicht nur die Eigenmoden sichtbar, vielmehr kann man so auch optisch darstellen, wie ein Impuls durch das Instrument fließt. Da die Messung optisch und nicht wie in Ep. 7 mit einem Sensor erfolgt, kann man auf eine zusätzliche Massebelegung verzichten. Das macht die Messung präziser und auch schneller. An dieser Stelle möchte ich mich bei der OptoMET GmbH und Herrn Dr. Schlemme-Weber für die spannende Messung sowie die Aufbereitung der Daten bedanken.

 heatmap 1000

Abbildungen 1: Steinway D-274 Resonanzboden von oben ohne Besaitung und Gussplatte. Analyse der Eigenmoden bei 1000 Hz. Blau niedrige und rot hohe Schwinggeschwindigkeit. Obwohl hier von oben gemessen wurde, sind die von unten am Resonanzboden liegenden Rippen deutlich zu erkennen. Rippen und Stege sind blau, also Knotenlinien, die die Eigenmoden deutlich begrenzen. Angeregt wurde am Steg im Bild ganz links.

 heatmap klein 2260

Abbildungen 2: Einfaches Klavier von hinten, mit Besaitung und montierter Dämpfung. Angeregt wurde unten rechts auf dem Langsteg. Hier sind die Schwingschnellen bei 2260 Hz zu sehen. Auch wenn mittig und oben links scheinbar gut Moden ausgebildet werden könnten, schafft es der Impuls kaum bis dort hin, denn jede Rippe führt zu einer teilweisen Reflexion der Energie. Im Gegensatz zu der 1000 Hz Mode bei obigem Beispiel, passen hier bei 2260 Hz bereits drei Schwingungsbäuche zwischen Lang- und Basssteg.

Video Zeitverlauf: Hier ist der zeitliche Verlauf der Ausbreitung des eingeleiteten Impulses zu beobachten. Man kann sehr schön sehen, wie die Wellen durch den Resonanzboden fließen. Außerdem ist die Welle am Anfang wesentlich rauer, sprich sie hat mehr hochfrequente Anteile. Diese dämpfen rascher ab.

Video 362 Hz Eigenmode: Hier ist die 362 Hz Mode isoliert dargestellt. Sehr schön ist dabei zu erkennen, dass bei dieser deutlich tieferen Frequenz, die Rippen keine derart isolierende Wirkung zeigen. Überdies ist zu erkennen, dass eine Eigenmode nicht zwingend an einer Stelle stehen bleibt, sondern sich diese auch seitlich in Bewegung befindet.

 

Vielen Dank an:

OptoMET GmbH
Dr. Steffen Schlemme-Weber
www.optomet.com

und

Kaduk Musical Technology
Thomas Kaduk
www.kaduk.nl

 

Abbildungen 1, 2 und Videos Copyright by OptoMET GmbH