Episode 1: Von der Taste zum Ton!
Die Elfenbeintasten
Es gibt solche kleinen Details, die erst einmal gar nicht weiter auffallen. Sind sie jedoch einmal im Bewusstsein werden diese Kleinigkeiten bedeutsam. Mir sind in diesem Zusammenhang einige solcher Details in den Sinn gekommen. Anhand 10 kleiner Episoden verfolgen wir den Impuls vom Finger durch den Flügel bis ins Ohr.
Gleich zu Beginn ist wahrscheinlich das Erste was wir berühren eine der weißen Tasten. Traditionell wurde für den Belag lange Zeit Elfenbein verwendet. Für die schwarzen Tasten Ebenholz oder schwarz gefärbtes Hartholz.
Ich vermute den meisten ergeht es da wie mir, dass man zu aller erst die Tasten über die Augen erfasst. Dabei sehen wir deutlich die Fugen zwischen den Tasten, nehmen war ob diese gleichmäßig sind oder auch besonders schmal oder breit. Genauso erscheint uns die Farbe des alten Elfenbeins dann besonders auffällig, wenn diese vergilbt ist oder Vorder- und Hinterteil des Tastenbelags nicht gleichmäßig ineinander übergehen. Was ist aber nun das spannende fast unsichtbare Detail?
Im Vergleich verschiedener alter Flügel fällt auf, dass einige Hersteller eine Vorliebe für individuelle Tastengeometrien entwickelt haben. Beim Verschleifen des Elfenbeinbelags und der Ebenholzhalbtöne, werden die Kanten nicht einfach so nur etwas abgerundet, nein die Radien, mit denen die Kanten gebrochen werden, haben einen Verlauf. Vorne ist der Radius etwas größer und wird nach hinten sehr klein. Auch die Vorderkanten sind gekonnt abgerundet. Beim genauen hinschauen oder vielmehr hinfühlen wird man dann merken, dass es Unterschiede gibt wie sich eine Taste anfühlen kann. Diese Tasten-Haptik macht einen wichtigen Teil des Spielgefühls aus, denn nicht nur eine Mechanik läuft flüssig oder zäh, auch die Finger auf den Tasten laufen unterschiedlich.
Ja richtig, nicht nur die Geometrie trägt ihren Anteil dazu bei, sondern auch das Material an sich. Elfenbein ist ein Naturmaterial, es ist im Vergleich zum Holz sehr hart und dicht. Im Gegensatz zu Knochen hat es praktisch keine Poren, sodass Schmutz nicht ins Material eindringt. Wird Elfenbein feucht durch den Schweiß der Finger verändert sich die Oberfläche und die wichtige Griffigkeit bleibt erhalten. Dabei ist fein verschliffenes und auspoliertes Elfenbein niemals rau.
Nicht selten sind einzelne Elfenbein Stücke beschädigt oder fehlen. Ist die Beschädigung nur sehr klein, kann die Macke mit Zahntechnik repariert werden. Muss aber das ganze Plättchen erneuert oder ausgetauscht werden ist es schwierig ein passendes Gegenstück zu dem hinteren Elfenbein-Plättchen zu finden, denn wie geschrieben sind die Tastengeometrien sehr individuell.
Wurden im Laufe der Jahre ganze Klaviaturen mit Kunststoff belegt, kann mit Fleiß und Geschick auch ein Tastaturbelag von einem sonst ausgedienten Piano gelöst und anstelle des Kunststoffs auf die anderen Tasten aufgebracht werden. Als Beispiel sei hier der Mand-Flügel im Menü Flügel-Restaurierung genannt.
Elfenbein wurde bei hochwertigen Pianos bis in die 1980er Jahre als Tastenbelag verwendet. Für diese moderneren Klaviaturbeläge wurden meist sogenannte Solid-Plates verwendet. Hierbei wird aus einem übergroßen Elfenbeinplättchen der Teil an dem die schwarzen Tasten sind ausgeschnitten. Im Unterschied verwendete man früher zwei aneinandergefügte Plättchen, für hinten schmalere und vorne breitere Stücke. Dazu hatten die Plättchen einen Dicken-Verlauf, hinten sehr dünn und vorn etwas dicker. Dies spart nicht nur viel Elfenbein ein, sondern es führt in der Praxis auch zu einer anderen Geometrie und einer anderen Haptik. Die modernen Beläge verbrauchten viel mehr Material. Früher schien das Material im Verhältnis zur Arbeitszeit wohl teurer gewesen zu sein.
So oder so halfen den Elefanten erst verschiedene Artenschutz-Abkommen, die letztendlich die Einfuhr von Elfenbein in die EU stoppten. Viel zu spät ging dieses sehr düstere Kapitel der Klavierbaugeschichte zu Ende. Seitdem werden fast ausschließlich Kunststoffbeläge verwendet, die viele Pianisten überhaupt nicht zufriedenstellen können. Ein kleiner Lichtstreifen am Horizont ist da vielleicht das synthetische Elfenbein der Firma Ivortec.